Spiel | Museum: Ein Brückenschlag
Programm
Donnerstag, 16. November
NS-Dokumentationszentrum Köln
12.00 Uhr Eröffnung & Grußwort
Philipp Bojahr | Cologne Game Lab
Dr. Henning Borggräfe | NS-DOK
12.10 Uhr Demokratiebildung und Spiel im Museum
Bastian Schlang | NS-DOK, Universität Würzburg
Ilja Gold | NS-DOK
Remote Island als handlungs- und erfahrungsorientierter Didaktischer Raum
Im Raumspiel Remote Island tauchen die Teilnehmer in ein „begehbares Computerspiel“ ein und stellen sich als Team gemeinsam den Herausforderungen: Nach einer globalen Apokalypse auf einer Insel gestrandet, müssen die Spielenden selbstständig in Kleingruppen unterschiedliche Aufgaben bewältigen. Dies geschieht in fünf Themenräumen: Schutz, Wohnen, Ernährung, Kultur und Arbeit. Durch spannende Challenges in den jeweiligen Räumen und durch anregende Entscheidungsfragen setzen sich die Teilnehmenden damit auseinander, wie ein Zusammenleben auf Remote Island organisiert werden kann.
Im Inselrat diskutieren die Spielenden über ihre Ergebnisse und Positionen. Dabei treffen sie gemeinsam Entscheidungen zu den jeweiligen Themen und erstellen ihren eigenen Inselvertrag. In einer abschließenden Reflexionsphase werden die Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Spiel mit den Lebenswelten der Teilnehmenden in Bezug gesetzt.
Bastian Schlang | NS-DOK, Universität Würzburg
Ilja Gold | NS-DOK
Führung durch Remote Island
13.25 Uhr Pause
13.35 Uhr Panel
Christian Bachmann | Staatsbibliothek zu Berlin, DFG-Forschungsgruppe „Journalliteratur“, Ruhr-Universität Bochum
Spiel/ Buch/ Museum. Zur medienkomparatistischen Ausstellung “Play it again – Vom Spielbilderbuch zum Videospiel” an der Staatsbibliothek zu Berlin
In Kooperation mit museum4punkt0 und dem Computerspielemuseum zeigt die Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz von April bis August 2023 die Ausstellung Play it again – Vom Spielbilderbuch zum Videospiel. Um drei ‚Spielszenen‘ herum gruppiert, weist sie mit rund 100 Exponaten Schnittstellen zwischen zwei augenscheinlich historisch und medial differenten Medien auf. Zugleich unternimmt die Ausstellung unterstützt von ihrem wissenschaftlichen und spielerischen Begleitprogramm, Menschen für die SBB zu interessieren, die bislang nicht zu ihren regulären Nutzer:innen zählen. Dazu wurden Workshops für Kinder- und Jugendliche ebenso angeboten wie eine Vortragsreihe, kostenloses didaktisches Material, eine OA-Begleitpublikation sowie ein Games-Event mit dem Computerspielemuseum anlässlich der Langen Nacht der Wissenschaften.
Wurden zu Beginn ihrer musealen Präsentation Videospiele hinsichtlich ihrer technischen, narrativen, ästhetischen oder künstlerischen Innovationen oder hinsichtlich einzelner spielkultureller sowie thematisch oder technologischer Aspekte perspektiviert, konfrontiert Play it again Videospiele und Spielbilderbüchern als differente, aber aus medienkomparatistischem Blickwinkel äquivalente Vergleichsgegenstände. Die Ausstellung versucht weder Videospiele aus ihren angenommenen Beziehungen zu älteren Spielmedien heraus zu legitimieren, noch Spielbilderbücher als ‚Vorfahren‘ der gesellschaftlich heute relevanteren Videospiele rückblickend aufzuwerten. Play it again zielt folglich nicht auf die Nivellierung von Unterschieden, sondern hebt anhand von Gemeinsamkeiten und Unterschieden gleichermaßen die Eigenheiten der Medien punktuell vor. Im Zentrum stehen dabei die (titelgebende) wiederholbare Interaktivität, Strategien der Gestaltung medialer Räume sowie Aspekte der (Papier-)Materialität und Hybridität.
Als internationale bedeutende Universalbibliothek verfügt die Staatsbibliothek über belastbare Expertise bei der konservatorischen Vorbereitung, Kuratierung und Durchführung von Ausstellungen mit Büchern und buchartigen Objekten aus ihren umfangreichen Beständen. Das Stabi Kulturwerk wurde als Bibliotheksmuseum 2022 eigens dafür eingerichtete. Aus der Einführung bestandsfremder Exponate erwuchsen Herausforderungen der Präsentation und Durchführung, die in einem dynamischen Prozess zwischen den beteiligten Gewerken ausgehandelt und umgesetzt wurden. Der vorliegende Beitrag reflektiert – nach einer Übersicht über die räumlichen und technischen Rahmenbedingungen – aus kuratorischer Sicht die Ausstellung und ihre Gegenstände, theoretisch-museologische Zielsetzungen und ihre praktische Umsetzung. Dabei berührt er die Spezifik analoger Spielbilderbücher sowie digitaler Videospiele als Kurationsgegenstände und gibt Auskunft über Partizipationsstrategien, Herausforderungen und (Miss-)Erfolge.
Peter Podrez | Universität zu Köln
Wie Spiele ausstellen? Mediale Konstellationen im musealen Dispositiv
Jede (nicht nur rein virtuelle) Spieleausstellung ist ein spatiales Phänomen. Museale Räume wollen und müssen im wahrsten Sinne ‚eingeräumt‘ werden: bestückt mit Regalen, Exponaten, Vitrinen, vielleicht Bildschirmen, in jedem Fall aber: Spielen.
Doch wie können – sowohl analoge als auch digitale – Spiele eigentlich ausgestellt werden, wenn medientheoretisch formuliert ihre mediale Spezifik darin liegt, dass sie gespielt werden müssen, weil sie sonst gar keine Spiele wären? (vgl. Galloway 2006; Booth 2021) Sind Spiele hinter Vitrinen (vgl. Beil 2023) dann überhaupt noch Spiele? Wie können Ausstellungen von Spielererfahrungen berichten und welche Rolle nehmen Paratexte wie Spieleschachteln, Anleitungen oder Gameplayvideos ein? Welche besonderen Logiken gelten für Ausstellungsoptionen analoger Gesellschafts- und Brettspiele mit Blick auf ihre Materialität und Haptik? Werden sie, obgleich massenhaft produziert, im Kontext von musealen Ausstellungen zu ‚auratischen‘ Erscheinungen im Sinne Walter Benjamins (1936)? Wie können digitale Spiele ausgestellt werden, wenn es nicht einfach um eine Aneinanderreihung von Screens gehen soll? Und eben: Wie verhält sich all dies räumlich im musealen Dispositiv zueinander?
Der Vortrag versucht vor dem Hintergrund dieser Fragen anhand konkreter Beispiele auszuleuchten, mit welchen Mitteln und Strategien Museumsausstellungen analoge und digitale Spiele präsentieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt neben Fragen der medialen Spezifika von Ausstellungslogiken auf den Topographien und Topologien (vgl. Frahm 2010), die durch die Gestaltung von Ausstellungen im musealen Raum entstehen: Dabei geht es um Wahrnehmungs- und Handlungsordnungen (vgl. Paech 1997), mithin um die Übersetzung ludischer Dispositive in museale Dispositive. Wie werden Blicke gelenkt? Wie Aufmerksamkeit und Interaktionen evoziert? Und wie wird durch Spiele der museale Raum selbst zum spielerischen Raum gemacht?
Björn Blankenheim | Bergische Universität Wuppertal
Komplizierte Konvolute statt kanonische Konstrukte – Über ‘Game Designers & Software Artists’ als Ausstellung und Methode
Im Frühjahr 2022 fand in der Galerie am Kolkmannhaus, nahe der Wuppertaler Innenstadt, die Ausstellung Game Designers & Software Artists statt. In ihrem Mittelpunkt standen die sogenannten Flat-Boxen, Spiele-Verpackungen, die die Firma Electronic Arts nach dem Vorbild von Schallplatten-Alben entwickelt und von 1983 bis 1988 für ihre Spiele verwendet hatte. Ergänzt um Werbeanzeigen, Bücher und andere Exponate, gab die Ausstellung einen Einblick in die Entwicklung des Produkts Computerspiel, seine unterschiedlichen Spielarten und die Verbreitung eines alten Verpackungsstandards, der vielen Menschen vollkommen unbekannt ist.
Ausgangspunkt der Ausstellung war es allerdings nicht, die Geschichte der Firma Electronic Arts nachzuerzählen und mit passenden Exponaten auszustatten. Vielmehr galt es, ausgehend von der Privatsammlung des Autors, die Verpackungen als Forschungsgegenstand überhaupt erst einmal zu erschließen, zu kontextualisieren und schließlich nach ihrer Geschichte zu befragen. Damit befassten sich 30 Studierende im Wintersemester 2018/19 in einer entsprechenden Veranstaltung an der Bergischen Universität Wuppertal. Die Ergebnisse sollten nicht nur der Konzeption, dem Entwurf und der Realisation der Ausstellung dienen, sondern auch als Inhalt für den gleichzeitig entstehenden Katalog (Blankenheim 2020).
Damit ist die Ausstellung einer Reihe von Projekten zuzurechnen, die sich mit der Geschichte der ›materiellen Kultur‹ (Kopytoff) des Computer- und Videospielens befassen, also mit den physischen Objekten der Alltagskultur, wie etwa die beiden 2018 erschienenen Bücher A History of Video Games in 64 Objects, herausgegeben von der ›World Video Game Hall of Fame‹ am Strong National Museum of Play in Rochester, New York, und A History of Videogames in 14 consoles, 5 computers, 2 arcade cabinets and an Ocarina of Time, in Zusammenarbeit mit der 2015 in Großbritannien gegründeten ›National Videogame Arcade‹.
Der Beitrag gibt einen Überblick über den Verlauf und die Ergebnisse des Projekts, sowie die Schwierigkeiten, die mit dem Schwerpunkt Inszenierung und Selbstverständnis der Künstler/innen bei Electronic Arts verbunden waren. Und er beschreibt die kunst- und designgeschichtliche Herangehensweise, die aus der Kooperation mit der Design-Sammlung Schriefers und einer ersten kunsthistorischen Forschungsarbeit (Blankenheim 2023) folgte. Dazu zählte insbesondere, die Darstellungen der Software-Entwickler/innen in Wort und Bild mit den Legenden von Künstlerschaft zu vergleichen, wie man sie in der Kunstliteratur der Antike und Frühen Neuzeit findet (Kris/Kurz 1980).
In diesem Sinne versteht sich der Beitrag als methodisches Plädoyer zur Praxis des Sammelns und Ausstellens, denn angesichts des noch immer unvollständigen Wissens über viele Aspekte der Spielegeschichte, können auch Ausstellungen ganz wesentliche Beiträge zur historischen Forschung leisten. Dies gelingt allerdings nur, wenn diese nicht versuchen, einem bereits konstruierten Kanon zu folgen oder gängige Narrative nachzuerzählen, sondern sich darum bemühen, interessante Konvolute aufzutun, denen man ihre komplexe(n) Geschichte(n) erst einmal abringen muss.
15.05 Uhr Kaffeepause
15.25 Uhr Projekt-Passage: Schlaglichter auf aktuelle Entwicklungen in der Museumspraxis
Timo Hellmers | Europäisches Hansemuseum Lübeck
Playing the Hanse – Spiel als Vermittlungsstrategie im kulturhistorischen Museum
tba
Laura Hoss, Philipp Horst | DASA Arbeitswelt Ausstellung Dortmund
Alle(s) spielen
Auf 13.000 qm zeigt die DASA Arbeitswelt Ausstellung unterschiedliche Aspekte der Arbeit von gestern, heute und morgen. Dabei spielen seit der Eröffnung in den 1990er Jahren spielerische Elemente in der Dauer- und in den Wechselausstellungen eine elementare Rolle. Über die Kategorie Spiele im Raum (Hands-On, digitale Spiele, Simulatoren etc.) hinaus interessiert uns in der jüngeren Vergangenheit vor allem der Raum als Spiel. Im Zentrum stehen dabei Architektur und Raumgestaltung sowie die spezifische Dramaturgie einer Ausstellung.
Wir nutzen diese originären Elemente einer Ausstellung, um spielerische Elemente zu kreieren. Der Vortrag gibt Einblicke in unsere kuratorische Praxis und fragt: Welche Aspekte von Spiel(en) greifen wir beim Ausstellungsmachen auf und welche nicht? Wo sind Parallelen von Spielegestaltung und Ausstellungsraumgestaltung? Neben diesen Fragen möchten wir im Vortrag auch darüber reflektieren, welche Rolle Zielgruppenansprache für unser Verständnis von Spielen als Wissensvermittlung spielt. Neben einzelnen Schlaglichtern auf die verschiedenen Ausstellungprojekte und ihre Spielbezüge soll es auch um Grenzen und Herausforderungen sowie Rückschlüsse für zukünftige Projekte gehen.
Die eigenproduzierten Wechselausstellungen „Stop and Go“, „Pia sagt Lebwohl“ und „Künstliche Intelligenz“ sowie die neue Dauerausstellung „Freiraum“ und die „Kinderbaustelle“ sind Beispiele für konsequent szenografisch gestaltete Ausstellungserlebnisse, die Besucher*innen zu handelnden und spielenden Akteur*innen werden lassen. „Stop and Go“, eine Ausstellung zum Thema Mobilität, war als offener Parcours angelegt, in dem Besucher*innen anhand von im Raum platzierten Frage-Pfeilen ihren Rundgang erschaffen haben. Dabei kamen sie an unterschiedlichen interaktiven Situationen vorbei. Inhalt und Form sind in dieser Ausstellung eins geworden. Die Ausstellung „Pia sagt Lebwohl“ hat in linear aufeinanderfolgenden Räumen die innere Reise einer Jugendlichen erzählt, die den Tod ihrer Oma verarbeitet. Die Besucher*innen sind durch Filmset-artige Szenarien gegangen und konnten anhand unterschiedlicher Medien zahlreiche Facetten der Geschichte und der Charaktere erkunden.
„Künstliche Intelligenz“ hat die Metapher des Labyrinths bzw. Rabbit Holes gestalterisch in den Ausstellungsraum übertragen. Die verwinkelte und unübersichtliche Grundstruktur wurde dabei von größeren thematischen Bereichen aufgelockert, die einen dramaturgischen Spannungsbogen bildeten. Der „Freiraum“ in der Dauerausstellung der DASA ist ein abstrahierter Wald, der sich den Besucher*innen zum Reflektieren, Verweilen und Bewegen anbietet. Eine Blumenwiese wird zum Twister-Spiel, ein Datsche zum gemeinschaftlichen Spiel- und Austauschort für zwischendurch und eine Bühne an der Stirnseite des Raums regt zu spielerischen Darbietungsformen und Präsentationen an. Einen direkteren Rollenspielcharakter hat die „Kinderbaustelle“, die wie ein Spielplatz thematisch auf die DASA zugeschnitten den jungen Besucher*innen Aspekte des Bauens vermittelt.
Besonders mit Mitteln der Ausstellungsgestaltung und Ausstellungsdramaturgie haben wir immersive Raumerlebnisse geschaffen, die im Sinne des postkuratorischen Ausstellungsmachens mit Storytelling-Elementen oder offenen Strukturen das konventionelle Verständnis einer „Ausstellung“ zu brechen versuchen. Der Vortrag hat dabei nicht unbedingt den Anspruch endgültige Antworten zu geben, sondern Fragen zum Verhältnis von Ausstellungsdramaturgie und Spielgestaltung aufzuwerfen und zu diskutieren.
Björn Reich | Justus-Liebig-Universität Gießen
Gedruckte Spielwelten – Die Bedeutung von Spielmaterialien der frühen Neuzeit für die Museen
Bis heute wird mit dem Beginn des Buchdrucks im 15. Jahrhundert vor allem die Verbreitung von Literatur assoziiert, die Erschließung eines größeren ‚Marktes‘ für Texte und die damit verbundene Entwicklung einer Hochsprache. Insbesondere die Verbreitung der Bibel – sowohl der lateinischen als auch der volkssprachlichen – gilt als besonderer Katalysator für die neue Technik. Museen, die etwa vormoderne Frühdrucke des 15. und 16. Jahrhunderts ausstellen, beschränken sich fast immer auf die Präsentation von Handschriften, bestenfalls auf illustrierte Ausgaben mit Holzschnitten oder Kupferstichen. So werden etwa im Mainzer Gutenbergmuseum die Gutenbergbibeln als Herzstück der Drucksammlung präsentiert.
Tatsächlich dürften für den Buchdruck für die Durchsetzung des Druckverfahrens vor allem die Spielmaterialien eine wichtige Rolle gespielt haben: Denn Spielkarten und Pläne für Brettspiele waren nicht abhängig von der erst allmählich sich entwickelnden Literarizität der Menschen. Und während etwa die Spielkarten des 14. und frühen 15. Jahrhunderts (das erste erhaltene Kartenspiel stammt von ca. 1420) als zunächst handgemalte Unikate eher reichen Auftraggebern vorbehalten waren, wurden sie nun durch die Druckverfahren zur Massenware. Wobei es sich kaum ein namhafter Kupferstecher (Dürer, Schäufelein, Amman) nehmen ließ, ein eigenes Kartenblatt zu entwerfen. Ähnlich die Brettspiele (etwa das Gänsespiel), die nun eine neue Entwicklung durchliefen und mit immer phantasievolleren Illustrationen versehen wurden.
Für die Museen scheint mir die Präsentation vormoderner Spielmaterialien eine große Chance zu sein, ein Publikum für die vormoderne Druckkultur zu gewinnen, das sich für Buchseiten hinter Vitrinenglas nur mäßig begeistert. Es ist aber auch eine durchaus anspruchsvolle museumspädagogische Aufgabe, die historischen Spielmaterialien in irgendeiner Form zugänglich und erfahrbar zu machen.
Ich plane derzeit eine (Online-)Ausstellung über Spielvergnügungen in der frühen Neuzeit zusammen mit dem Germanischen Nationalmuseum und würde gerne Chancen und Möglichkeiten der vormodernen ‚Spieldrucke‘ diskutieren.
Ana Daldon, Christian Stadelmann, Thomas Winkler | Technisches Museum Wien
Neue Sonderschau „Technisches Spielzeug“ – Ein Blick in die Konzeptwerkstatt
Der Zugang von Technikmuseen zum Spielzeug ist ambivalent. In ihren Sammlungsstrategien haben sie lange Zeit Kinder nur mittelbar als Adressaten gesehen. Neben den großen, epochemachenden Objekten – Lokomotiven, Automobile, Dampfmaschinen und dergleichen mehr – hat Spielzeug lange Zeit keinen Platz gehabt. Indem sich aber Modelle solch großer und nicht eben leicht auszustellender Objekte etabliert haben, hat unversehens auch Technikspielzeug Eingang in die Sammlungen gefunden. Man hat es nicht systematisch gesammelt, aber eine Modelleisenbahn, die man tatsächlich in Betrieb nehmen kann, eine kleine blecherne Dampfmaschine, die nach dem Grundprinzip der großen funktioniert, oder ein Holzbaukasten, mit dem „der kleine Ingenieur“ seine Berufung entdeckt, sind als attraktive Ausstellungsobjekte allemal willkommen gewesen.
Im Technischen Museum Wien sind solche Objekte denn auch vor etwa 20 Jahren das Fundament eines eigens benannten Sammlungsbereiches geworden, der sich technischem Spielzeug in einem weiteren Sinne widmet. Nach wie vor ist der Bestand recht heterogen, aber immerhin folgt er einer eigenen Sammlungsstrategie.
Nicht zuletzt, weil immer mehr junge Besucherinnen und Besucher ins Technische Museum kommen, werden Überlegungen angestellt, dem Technikspielzeug nicht nur in der Sammlung, sondern auch auf den Ausstellungsflächen mehr Raum zu geben.
Deshalb arbeiten wir derzeit an einem Konzept, das versucht, an ausgewählten Objekten didaktische Ansprüche umzusetzen, die die Förderung der sogenannten „MINT-Fächer“ zum Ziel hat. Gemeint sind damit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Ganz gezielt sollen anhand einzelner Spielzeug-Exponate Phänomene aus diesen Bereichen erklärt werden.
Der didaktische Ansatz ist ein sehr alter. Kinder sollen spielerisch lernen. Dem folgend werden Spiele ausgestellt, und der Weise kontextualisiert, dass naturwissenschaftliche Prinzipien daran erklärt werden. Konstruktionsspiele und Baukästen bieten beispielsweise zahlreiche Elemente dafür. Die dazu gehörenden Bauanleitungen veranschaulichen das technische Zeichnen und geben ein Verständnis für Perspektiven. Ganz Ähnliches gilt auch für die Schnittmuster, die früher mitunter Kindernähmaschine beigelegt worden sind. Auch ihnen ist mathematisches, ingenieurwissenschaftliches und technisches Denken inhärent, obschon es im Rahmen des Nähfertigkeitstrainings gewöhnlich gar nicht als Üben der Grundlagen von MINT-Prinzipien wahrgenommen wird.
Damit sind nur zwei Beispiele für die Präsentation des Spielzeugs genannt. MINT-Prinzipien werden auch in einem analogen Computer gezeigt (Turing Tumble), dass die Logik des binären booleschen Denkens haptisch wahrnehmbar macht, auf der alle Programmiersprachen basieren. Mit Spielzeugeisenbahnen können zum Beispiel Beschleunigung und Bremsweg erklärt werden, anhand eines Schiffsmodells der statische und anhand eins Flugzeugmodell der dynamische Auftrieb.
Die Tagung soll uns die Möglichkeit geben, das im Entstehen befindliche Konzept vorzustellen.
16.25 Uhr Pause
16.35 Uhr Projekt-Passage: Schlaglichter auf aktuelle Entwicklungen in der Museumspraxis
Michaela Blaser | Museum Rietberg
“Und Du? Das Spiel der Fragen” im Museum Rietberg – Fallbeispiel eines Spiels im Ausstellungsraum
Ziel dieser Präsentation ist es, den Prozess einer Spielentwicklung für eine Ausstellung, die damit verbundenen Herausforderungen und die Reaktionen des Publikums zu diskutieren. Speziell für die Ausstellung «Jain sein. Kunst und Leben einer indischen Religion» (18/NOV/22 – 30/APR/23) im Museum Rietberg in Zürich wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen des Museums und mit Unterstützung des amerikanischen Medienproduktionsstudios Fablevision «Und Du? Das Spiel der Fragen» entwickelt. Als Projektleiterin stieß ich rund 8 Monate vor der Ausstellungseröffnung zum Team – auf halber Strecke der kuratorischen Konzeption der Ausstellung. So fiel die Entscheidung, dem Spiel einen ganzen Teilbereich der Ausstellung zu widmen, noch bevor das Konzept fertig war.
Schon früh entstand die Idee, ein Leiterspiel in die Ausstellung zu integrieren, da dieses aus Indien stammende Spiel in der Ausstellung mit zwei gemalten Jain-Originalen aus dem frühen 19. Jahrhundert vertreten war. Spiele dieser Art wurden als Lehrmittel eingesetzt und sollten den Spielenden die Grundgedanken des Jainismus vermitteln. Das Spiel, das sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, hat seinen pädagogischen Zweck verloren und ist heute reines Glücksspiel. Unser Ziel war es, das bestehende Spielkonzept zu ergänzen und dem Publikum einen persönlichen Bezug zum Jainismus zu ermöglichen. Der Jainismus ist im Westen nahezu unbekannt: Warum sollten also Besuchende eine Ausstellung über eine Religion besuchen, mit der sie bisher in ihrem Leben keine Berührungspunkte hatten?
Im Zentrum der Lehre des Jainismus stehen absolute Gewaltlosigkeit, Respekt vor dem Leben und der Natur, Verzicht auf Besitz und die Vorstellung, dass es verschiedene Wahrnehmungen der Wahrheit gibt. Alltägliche Situationen stellen uns immer wieder vor Herausforderungen und lassen uns unser Denken und Handeln hinterfragen. Das Spiel sollte den Blick auf uns selbst lenken und herausfinden, wie wir die grundlegenden Fragen des Lebens beantworten. Ganz im Sinne seiner ursprünglichen Verwendung wollten wir das Spiel als Medium nutzen, um durch Interaktion Zusammenhänge zu vermitteln. Die Verknüpfung mit universellen Themen des täglichen Lebens bot Anknüpfungspunkte für unser Publikum und die Fragen dienten als interaktives Element. Aber wie können wir ein Spiel zu ethischen Fragen entwickeln, ohne moralisch aufdringlich zu sein und ohne auf differenzierte Betrachtungsmöglichkeiten zu verzichten? Wer entscheidet in einem Spiel über ethische Fragen, ob man die Leiter hinaufklettert oder die Schlange hinunterfällt?
Dieses Fallbeispiel zeigt, wie die Produktion eines Spiels für eine museale Präsentation zum gestalterischen Angelpunkt und verbindende Element einer Ausstellung werden kann. Es wird gezeigt, wie durch Testspiele aus dem Spiel ein funktionierendes Konzept wurde und wie es gelungen ist, ein traditionelles analoges Spiel mit Hilfe digitaler Elemente in ein zeitgemäßes partizipatives Spiel zu verwandeln. Abschließend wird über die Interaktion mit den Besuchenden berichtet und diskutiert, inwieweit Gamification im Museum funktioniert und das Spiel als Medium im musealen Umfeld in der Lage ist, Motivation und Begeisterung für unbekannte Inhalte bei den Besuchenden zu wecken. Lassen die Erwartungen des Publikums an einen Ausstellungsbesuch einen natürlichen Umgang mit einem Spiel im Museum zu? Ist es möglich, das Spiel ebenso selbstverständlich als Medium des Ausstellungsmachens zu betrachten wie die Objekte selbst, die begleitenden Filme, Texte und Klangwelten?
Das Spiel «Und Du?» schlug eine Brücke zu den Ausstellungsinhalten, wie es kein anderes Medium vermocht hätte. Es ermöglichte, über eigene persönliche Geschichten in die Inhalte einzutauchen und einen emotionalen Zugang zur Ausstellung zu schaffen. Der Beitrag wirft einen Blick hinter die Kulissen einer Spieleproduktion für eine Ausstellung und setzt sich neben den Herausforderungen des Gestaltungsprozesses auch kritisch mit der Selbstverständlichkeit des Einsatzes von Spielen in Ausstellungen auseinander. Er ist ein Plädoyer für mehr Spiel und Unterhaltung im Museum und spricht sich für einen grundlegenden Wandel in der Präsentation von Ausstellungsinhalten aus.
Elisabeth Müller | Carl Orff Museum
“Digital Orff” spielerische Musikvermittlung
Musik im Museum darzustellen ist eine besondere Herausforderung. Sie bietet nur wenige Objekte und diese erschließen sich schwer. Wir wollen im Museum nicht nur Musik- und Personalgeschichte erzählen, sondern auch den Besucher:innen neue Zugänge zu Musik vermitteln. Musik wird gespielt und wie Spiele fördert Musik Spaß, Gemeinschaft und Kommunikation. Im neuen Carl Orff Museum (geplante Eröffnung 2025) basiert das musikpädagogische Programm auf der Praxis des Orff-Schulwerks. Dieses bietet einen einfachen und unterhaltsamen Ansatzpunkt, der schon seit der Einführung des Schulwerks Ende der 40er Jahre mit spielerischen Elementen die eigene Kreativität fördert. Doch wie kann Musikvermittlung nicht nur in Kursen, sondern auch in der Dauerausstellung stattfinden?
Spätestens im Rahmen der Grobkonzeption 2020 wurde uns klar, dass ein spielerisches Angebot den Museumsbesucher*innen das besondere Zusammenspiel von Musik, Sprache und Bewegung der Orff’schen Pädagogik vermitteln muss. In der weiteren Ausarbeitung kristallisierte sich heraus, dass dazu zwei verschiedene Ansätze nötig sind: Zum einen soll den Besucher:innen ermöglicht werden mit den „echten“ Orff-Instrumenten analog zu spielen. Zum anderen soll eine interaktive Medienstation mit Bewegungssensoren eine Augmented Reality erzeugen, in der Besucher:innen angeleitet werden, virtuelle Instrumente zu spielen. Verschiedene Spielmodi ermöglichen Erfolgserlebnisse für Menschen mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen.
Für die Ausarbeitung der Stationen kooperiert die Carl-Orff-Stiftung als Träger des Carl Orff Museums mit der Hochschule für Musik in Nürnberg und dem Studiengang Rehabilitationswissenschaften der Technischen Universität Dortmund. An der HfM-N werden die technischen Voraussetzungen geklärt und umgesetzt: Welche Motion-Tracking Variante eignet sich? Wie vermeidet man Latenzen zwischen der Bewegung, ihrer Erfassung und der Ausgabe als Klang über den Kopfhörer? Welche Spielbewegungen fühlen sich natürlich an und können gut für das Programm „übersetzt“ werden? Die Studierenden der TU begleiten das Projekt, um die inklusive Spielbarkeit zu gewährleisten.
Der Musikraum mit dem analogen Instrumentarium ist von der restlichen Ausstellung akustisch getrennt. Dort sollen die Besucher:innen die Vielfalt des Orff-Instrumentariums kennenlernen und so Haptik und Klang unterschiedlicher Instrumente – vom Rassel-Ei über unterschiedlichste Trommeln bis hin zum Xylophon – erfahren. Darüber hinaus wird durch die Anordnung der Instrumente und Spielanregungen das gemeinschaftliche Zusammenspiel gefördert.
Die DO-Medienstation (DO = Digital Orff) transportiert das elementare Musizieren ins digitale Zeitalter und ermöglicht Musikmachen mit Erfolgsgarantie. Die Station im Zentrum einer hufeisenförmigen Vitrine, in der historische Orff-Instrumente ausgestellt werden, ist Kernstück des Museums. An mehreren Plätzen mit Bildschirm und Videokamera können die Besucher*innen durch freie Gesten im Raum musizieren. Nach einem Tutorial, das in die Benutzung der Station einführt, stehen den Besucher:innen unterschiedliche Spielmöglichkeiten zur Verfügung. In der Variante „Loop“ können sie musikalische Schleifen einspielen und sich selbst mit unterschiedlichen Rhythmen und Instrumenten begleiten. In der Variante „Challenge“ werden sie aufgefordert Melodien und Rhythmen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen nachzuspielen.
Das Orff-Schulwerk ist eine sehr niedrigschwellige Methode der elementaren Musikerziehung. Bisher wird es in erster Linie von Lehrenden in der (Musik-)Schule vermittelt. Das körpernahe Instrumentarium und der Fokus auf Rhythmik machen das Schulwerk aber auch für den individuellen spielerischen Zugang zu Musik von Einzelpersonen und Kleingruppen interessant. In der Museumskonzeption stellte sich sehr schnell heraus, dass weder ein rein digitaler noch ein rein analoger Zugang befriedigend sind. Beide Ansätze haben einzigartige Vorteile, die im jeweils anderen Medium nicht erfüllt werden. Die angestrebte Umsetzung des Orff-Schulwerks geht einen neuen Weg zwischen Ausstellen und Vermitteln, in dem Inhalte, die bisher nur in Kursen weitergegeben wurden, durch die Medienstation in der Ausstellung spielerisch gelernt werden können.
Fabiola Arellano Cruz, Lydia Hauth | Rautenstrauch-Joest-Museum
“DU BIST DRAN! Space4Kids” im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) Vorstellung eines neuen partizipativen Projekts im RJM
Museen sind nicht gerade als Orte bekannt, an denen Spielen und Spaß zum Alltag gehören. Dennoch haben sie enormes Potential spielerisch kennengelernt zu werden und Kindern unterschiedliche Zugänge zu Kultur zu ermöglichen. Doch wie können spielerisch-künstlerische Methoden angewendet werden, um die Partizipation und Mitbestimmung von Kindern zu fördern? Wie kann das Spielen selbst als Methode genutzt werden, um das Museum langfristig in einen kinderfreundlicheren Ort zu verwandeln? Wie kann das Museum zu einem „Playful Museum“ werden, in den spielerischen Herangehensweisen integraler Bestandteil der Vermittlungsarbeit sind?
Um diesen Fragen nachzugehen, hat das Rautenstrauch-Joest-Museum das partizipative Projekt „DU BIST DRAN! – Space4Kids im RJM“ ins Leben gerufen. Das Ziel des Projekts ist es, Kinder (6-12 Jahre) einzuladen, die Inhalte des Museums spielerisch zu kennenzulernen und selbst zu Wissensexpert:innen zu werden, die an der Neugestaltung des Museums mitwirken. Im ersten Teil (20.9.2023-7.1.2024) entsteht ein Experimentierraum im Sonderausstellungsbereich des Museums, in dem Kinder mit spielerischen Workshops das Museum erforschen und ihre Ideen für die Verwandlung des Museums einbringen. Im zweiten Teil (21.3.-21.7.2024) transformiert sich der Sonderausstellungsbereich in einen Spielparcours mit Kunstwerken zum Thema Spiele der Welt, mit Spielen aus der Sammlung, interaktiven Elementen und einem lebendigen Archiv aus Erinnerungen an Spielzeuge und Spiele.
Das Thema Spiel wurde gewählt, weil es etwas ist, das uns alle verbindet. Spielen ist Teil aller Kulturen und gehört zu jedem Menschen von Geburt an, unabhängig von Sprache, Herkunft, Alter oder sozialem Status. In diesem Sinne, postuliert der Name des Projekts bereits unsere Absicht in einem Wortspiel: „Du bist dran!“. Damit wollen wir nicht nur betonen, dass es sich um ein partizipatives Projekt handelt, sondern auch auf die Methodik hinweisen. Für das RJM ist es wichtig, junge Besucher:innen nicht einfach ein kulturelles Angebot zu präsentieren, sondern Prozesse zu schaffen, an denen sie teilnehmen und als Mitgestalter:innen von Wissen agieren können, um neue Perspektiven in die bisher dominierenden Erzählungen zu integrieren.
Mit spielerischen Methoden lassen sich die Geschichten im ethnologischen Museum neu erzählen und Barrieren zum Museum abbauen. Das Spiel wird so zur Grundlage für das Erfahren und Begreifen der Vielfalt der Welt. Auf diese Weise wird das RJM zu einem lebendigen und einladenden Ort für junge Menschen. Spielerische Zugänge ermöglichen es zudem, Sachverhalte neu zu justieren, verschiedene Positionen einzunehmen, Neues hinzuzufügen und die Regeln stets neu zu verhandeln. Übertragen auf das ethnologische Museum, können so neue Zugänge zur Institution, aber auch zur Kolonialgeschichte und ihren aktuellen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen geschaffen werden. Es geht darum, komplexe Inhalte an die Lern- und Erfahrungsweisen der Kinder anzupassen, basierend auf Lernprinzipien wie „Hand’s on/Mind’s on“.
Mit diesem Vortrag möchten wir gerne das laufende Projekt vorstellen und die Plattform der Tagung „Spiel/Museum. Ein Brückenschlag“ nutzen, um mit Kolleg:innen Ideen und Erfahrungen auszutauschen.
Linda-J. Knop | Universität Kassel
Von Holz und Knochen zu Bits und Bytes. Ein Werkstattbericht – oder: Wie aus Trophäen kolonialer Jagd ein Computerspiel werden kann
Trophäen von (Safari)Jagden aus den ehemaligen deutschen Kolonien sind im Besitz vieler Museen: Gehörne, Felle, Skelette und ausgestopfte Tiere. Sie werden jedoch kaum ausgestellt und fristen ein schambehaftetes Dasein in den Musemsdepots. Können wir von diesen Objekten noch etwas lernen? Kann man ihre Geschichte ablesen? Stehen sie in einem Unrechtskontext? Was kann über die Objekte in Erfahrung gebracht werden? Das Projekt „Von Holz und Knochen zu Bits und Bytes“ versucht diese Fragen mit einem experimentellen Ansatz zwischen Wissenschaft und Games zu beantworten.
Das Land Hessen hat einen Masterplan Kultur aufgelegt, in dem auch die Digitalisierung stark gefördert wird. Gemeinsam mit der Universitätsbibliothek Kassel haben wir, ein Team bestehend aus einer Wissenschaftshistorikerin, einem Historiker, einer Kunstwissenschaftlerin und einem Software-Ingenieur und Gameentwickler, erfolgreich ein Projekt im Rahmen der Digitalisierungsförderung beantragt. Wir untersuchen exemplarisch die Safarijagdtrophäen, die sich im Museum Witzenhausen befinden. Diese werden 3-D-gescannt und ihre Digitalisate samt Metadaten in eine Datenbank eingepflegt. Damit diese Datensätze aber nicht nur der Wissenschaft und Forschung vorbehalten bleiben, werden sie Eingang finden in einem Computerspiel. Dies soll für Bildungsangebote innerhalb des Museums nutzbar, als auch auf privaten Endgeräten spielbar sein.
Wir wollen also die Auseinandersetzung mit den Objekten und deren Provenienz gamifizieren. Ein spielerischer Umgang mit den 3D-Scans der Objekte soll bei Schüler:innen und jungen Erwachsenen das Interesse für diese Objekte und deren Kontexte hervorrufen. Unterschiedliche Zugänge werden eröffnet: zur Provenienzforschung, also zur Frage, woher ein Objekt kommt, wer es gejagt hat, wer es erstellt hat, welchen Weg es genommen hat, durch welche Hände es gegangen ist; zur Kolonialgeschichte, in der die Großwildjagd in der Freizeit der Kolonisatoren einen wichtigen Stellenwert hatte und hinsichtlich der Mensch-Tier-Beziehung, die sich in der Jagd und der nachfolgenden Trophäenproduktion spezifisch analysieren lässt. Es geht uns also nicht primär um zoologisch-biologische Aspekte, vielmehr wird die Kulturalisierung der Mensch-Tier-Beziehung ins Zentrum der Betrachtung gestellt und deren Spuren verfolgt.
Unser Beitrag ist als Werkstattbericht angelegt, die Projekt-Förderung hat am 1. September 2023 begonnen und wir möchten gerne vorstellen, wo wir stehen, was wir bislang erreicht haben, welche Unterstützung wir uns wünschen, womit wir kämpfen und was noch vor uns steht.
17.35 Uhr Pause
17.45 Uhr Keynote & Podiumsdiskussion
Thomas Hensel | Hochschule Pforzheim
Onat Hekimoglu, Ole Tillmann | Harold HALIBUT
„Harold HALIBUT“ oder
Die Geburt von Videospiel und Museum aus dem Geist der Wunderkammer
Ausgangspunkt des projektierten Vortrags (wie der Tagung) ist das Wechselspiel von Game und Museum; nach einer Tour d’Horizon, welche die mannigfaltigen Berührungspunkte, Schnittmengen und Durchdringungen der Medien Game und Museum streiflichternd berührt, fokussiert der Vortrag eine jüngst im Rahmen der Ausstellung „Game Design Today“ im Museum für Gestaltung Zürich gezeigte Installation, die dem im Entstehen begriffenen Game „Harold HALIBUT“ gewidmet war. Selbige ermöglicht, das Videospiel durch das Museum und das Museum durch das Videospiel zu verstehen. Fluchtpunkt jener Installation sowie des Vortrags ist das Konzept der Wunderkammer, die – medienarchäologisch gewendet – den Entstehungsherd des Museums figurierte und – medienpragmatisch gedacht – immer schon als ein Spielraum funktionierte und die gleichsam als gemeinsamer Nenner von Videospiel und Museum betrachtet werden kann.
Freitag, 17. November
Cologne Game Lab
10.00 Uhr Keynote
Christian Stein | Gamelab Berlin
Vom Ausstellungsraum zum Spielfeld: Der Homo Ludens zu Besuch im Museum
tba
11.00 Uhr Panel
Daniela Diefenbach | Universität Bayreuth
Kunsträume – Zur Repräsentation des Künstlerischen in digitalen Spielwelten
Als kulturelle Phänomene stehen digitale Spiele in einem Wechselverhältnis zwischen gesellschaftlichen Diskursen und der Option, diese innerhalb der jeweiligen virtuellen Spielwelt im Rahmen ihrer eigenen Regelsysteme abbilden zu können. Gestaltungsmöglichen in der Entwicklung offerieren dabei Potenziale, sowohl fiktive Weltentwürfe als auch simulierte gesellschaftliche Traditionen etwa durch Rückgriff auf kulturelle Narrative für Spielende erfahrbar zu machen und gezielt in der Kunst- und Kulturvermittlung einzusetzen.
So konstruieren sich die Welten digitaler Spiele unter anderem aus tradierten kulturellen Wissensmengen wie zum Beispiel historischen Bezügen (vgl. Kaminski 2013; Koubek / Werning 2019), die im Rahmen ihrer Fiktionalität adaptiert, reorganisiert oder modifiziert werden können. Dies gilt gleichermaßen für künstlerische Sujets: Das Online-Game Occupy White Walls (KULTURA Ex Machina 2022) etwa richtet nicht nur den Fokus auf den musealen Raum mitder Präsentation von Kunst, sondern trägt zudem zu einer Öffnung dessen über die Partizipationsmöglichkeiten der Nutzer:innen als Rezipierende und Produzierende bei. Dabei ermöglicht ein Baumodus den Spielenden individuelle Gestaltungsspielräume bei der Errichtung von Ausstellungsräumen, vom klassischen „White Cube“ bis hin zu themenspezifischen, surreal anmutenden Erfahrungsräumen. Eigene kuratorische Konzepte einer Ausstellung können entweder gestützt durch eine Kunstdatenbank oder durch Integration eigener Werke umgesetzt und mit anderen geteilt werden, so dass zudem auch aktiven Künstler:innen eine Ausstellungs-Plattform sowie ein Rückbezug zwischen virtueller Welt und Realität ermöglicht wird.
Der Vortrag nimmt an diesem und weiteren ausgewählten Beispielen (u.a. Passpartout: The Starving Artist, Flamebait Games/Gamera Games 2017) digitale Spiele hinsichtlich Repräsentationen von Kunst und Kunstschaffenden in den Blick, und geht der Frage nach, inwiefern digitale Spielwelten bestehende Kunstdiskurse (re-)konstruieren beziehungsweise mitformen, auch mit Bezug zu ihren Charakteristika sowie der Rolle Spielender.
Björn Redecker | Universität Bielefeld
Walking Simulatoren als formalästhetische Parallele des Museums
Digitale Spiele sind eine akkumulative und grenzgängerische Medienform. In ihrer über 50 Jahre überspannenden Medienhistorie haben sie einerseits große Veränderungen und Weiterentwicklungen durchwandert, andererseits gibt es aber auch Aspekte, die sich kaum geändert haben. James Newman zufolge lassen sich »underlying themes and constancies« erkennen, während sich zeitgleich konstatieren lässt, »that videogames have changed over time.« (Newman 2004: 92) Schlussendlich ist digitalen Spielen vor allen Dingen eines zu attestieren: ihre Uneindeutigkeit. Auch das Museum zeichnet sich als institutionelle Form durch seine akkumulative und grenzgängerische Natur aus. Newmans Postulat lässt sich – obgleich es sich auf digitale Spiele bezieht – auch auf das Museum anwenden, insofern man den Blick auf ein ästhetisches Erkenntnisinteresse beider Formen lenkt. Vor diesem Hintergrund erscheint ein vergleichender Blick auf Computerspiele als mediale- und das Museum als institutionelle Form lohnend.
Dabei möchte dieser Beitrag kein pauschales Verwandtschaftsverhältnis zwischen digitalen Spielen und Museum im Sinne einer Gleichung C(omputerspiel) = M(useum) postulieren. Dennoch soll mit Blick auf Jesper Juuls Kernargument, digitale Spiele könnten als halbreal verstanden werden, da sie das Fiktionale und Virtuelle durch Regeln mit der Realität verbinden (vgl. Juul 2005: 167ff.; 196 u. 199), der Vorschlag gemacht werden, Computerspiel und Museum unter einem bestimmten Gesichtspunkt aneinander zu rücken – dem der ästhetischen Beziehung zwischen Subjekt und Form; also zwischen Spielenden und Spiel; Besuchenden und Museum. Der Begriff und das Konzept der ästhetischen Erfahrung spielen dabei eine zentrale Rolle.
Dieser Beitrag will versuchen, formalästhetische Schnittpunkte und Überlagerungen beider Formen aufzuzeigen und darüber hinaus explizieren, warum es lohnend sein kann, sich vergleichend mit ihnen zu beschäftigen. Dabei werden zunächst allgemeine, sprich unspezifische Vergleichsmöglichkeiten zwischen Computerspiel und Museum in den Blick genommen. Dies geschieht zum einen mit Bezug auf den durch Bolter und Grusin vorgeschlagenen Begriff Remediation und zum anderen mit Hilfe von Star und Griesemers Denkfigur boundary object (Grenzobjekt). Abschließend wird der Fokus auf das Phänomen Walking Simulator als spezifische Ausprägung digitaler Spiele gelegt, da diese in besonderer Weise Gemeinsamkeiten digitaler Spiele und musealer Formen aufzeigen können.
Nina-Marie Schüchter | Universität Düsseldorf
Spielend Welt erfahren – Die Wunderkammer des Altonaer Museums
»Es widerspricht dem Zustand der Welt nicht, wenn sich in jüngerer Zeit eine Renaissance des ›homo ludens‹ ereignet.« (Bredekamp 2007 [1993]: 121) Mit diesen Worten eröffnet Horst Bredekamp bezugnehmend auf Johan Huizingas Schrift »Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel« (1938) seinen 1993 erschienenen Text »Die Kunstkammer als Ort des spielerischen Austauschs«. In diesem konturiert er zum einen die spielerischen Qualitäten frühneuzeitlicher Kunst- und Wunderkammern, in denen das »Sehen, Assoziieren und Denken als Spiel« (Bredekamp 2007 [1993]: 122) auf besondere Weise zelebriert wurde, zum anderen die Aktualität und die Relevanz des Spielens für die Gegenwart.
Dieser Zusammenhang von ›Spielen‹, ›Kunst- und Wunderkammer‹ und ›Gegenwart‹ ist auch in der im Oktober 2021 eröffneten »Wunderkammer« des Altonaer Museums zu beobachten, die zusammen mit der Gabriele Fink Stiftung erdacht und eingerichtet wurde. Der spielerische Charakter speist sich hier sowohl aus der aktiven Affizierung und haptischen Auseinandersetzung mit Gegenständen, woraus das Zusammenstellen einer individuellen Sammlung resultieren kann, als auch aus der eigenen reflektierenden und narrativierenden Praxis, die sich als unverzichtbares anthropologisches Instrument der Welt-Erschließung und Welt-Erzeugung auffassen lässt. Mittels des Konzepts der historischen Kunst- und Wunderkammerwird in der Altonaer »Wunderkammer« Menschen ab 6 Jahren so die Möglichkeit eröffnet, spielerisch die Welt zu hinterfragen und sie in eine individuelle Ordnung zu bringen. Dabei impliziert das Aktualisieren von Sammel-, Ordnungs- und Zeigepraktiken der frühneuzeitlichen Kunst- und Wunderkammer vor allem das Spielen und Agieren mit analogen Dingen, was vor dem Hintergrund der von digitalen Möglichkeiten strotzenden musealen Ausstellungswelt spannende Fragen eröffnet.
12.30 Uhr Kaffeepause
13.15 Uhr Quo vadis? Nächste Schritte des Career Clusters “Game Studies at the Museum”
mit Klaus Becker, Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer der TH Köln
14.00 Uhr Projekt-Passage: Schlaglichter auf aktuelle Entwicklungen in der Museumspraxis
Stefan Zimmermann | Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg
Zwischen Kibbel Kabbel und Escape Game: Die Vielfalt und Entwicklung von spielerischen Formen in der freilichtmusealen Vermittlungspraxis
Das Freilichtmuseum am Kiekeberg im niedersächsischen Landkreis Harburg im Süden der Metropole Hamburgs gelegen gehört mit etwa 230.000 Besuchenden pro Jahr zu den besucherstärksten Freilichtmuseen bundesweit und ist eines der größten kulturhistorischen Museen in der Metropolregion Hamburg. Das Freilichtmuseum zeigt anhand von 40 historischen Originalgebäuden auf 13 Hektar Museumsareal die ländliche Alltagskultur der nördlichen Lüneburger Heide und der Winsener Elbmarsch von 1600 bis 1970. Ergänzt wird das Museumsgelände auch durch Ausstellungshallen für Dauer- und Wechselausstellungen.
Das Thema Spiel bzw. Spielen ist auf verschiedenen Ebenen fest im Museumsprofil verankert. Das Freilichtmuseum zeichnet sich durch einen ungewöhnlich großen Sammlungsbestand in der Kategorie Spielen und Freizeit aus, wobei der Schwerpunkt der Exponate in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nach 1945 zu verorten ist. Ein Teil des Sammlungsbestandes – ergänzt um Leihgaben – wird seit 2016 in der großen Dauerausstellung „Spielwelten“ gezeigt, die mit über 1.000 Exponaten den Wandel der Spielkultur im 20. Jahrhundert mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf den Zeitabschnitt 1945 bis 1970 nachzeichnet. Einzelne thematische Module der Ausstellung wurden in den letzten Jahren durch neue Themen ersetzt. Zuletzt erfolgte im Jahr 2022 eine inhaltliche Intervention um rassistischen Stereotypen bei einigen Exponaten entgegenzuwirken und entsprechend zu kontextualisieren.
Da sich das Freilichtmuseum mit historischer Alltagskultur auseinandersetzt und diese vermittelt findet sich auch über die große „Spielwelten“-Ausstellung hinaus das Thema Spielen im Kontext historischer Kindheit, Pädagogik und Freizeitgestaltung an vielen Orten im Museum wieder. Da es sich um ein v.a. für Familien – eine Kernzielgruppe des Museums – attraktives Thema mit stark interaktiven Potentialen handelt, ist das Thema im museumspädagogischen Vermittlungsprogramm des Museums auf verschiedene Weise vertreten. In der Veranstaltungsreihe „Sonntags im Museum“ wird mehrmals im Jahr die Kategorie „Spiel mit!“ angeboten. Dabei liegt der Fokus auf offenen, interaktiven Angeboten für Kinder und Familien. Im Zentrum stehen dann auch verschiedene historische Kinderspiele, die in der authentischen Atmosphäre des Museumsdorfes gespielt werden können. Historische Kinderspiele oder das Bauen einfachen Spielzeugs nach historischen Vorbildern finden sich auch regelmäßig in Ferienprogrammen oder museumspädagogischen Angeboten für Schulen oder Kindergärten wieder.
Eine ganze andere Ebene stellen die verschiedenen, sich oft spielerisch erschließenden Hands on – Stationen auf dem gesamten Museumsareal dar. Zudem gibt es zwei Spielplätze auf dem Gelände, wobei v.a. der sogenannte Wasserspielplatz mit verschiedenen Stationen zu Wasserversorgung sowie Be- und Entwässerung in der Landwirtschaft auch ein Jahrzehnt nach seiner Eröffnung ein attraktives Alleinstellungsmerkmal des Museums darstellt.
In den letzten Jahren hat sich das Freilichtmuseum verstärkt der spielerischen, digitalen Vermittlung zugewendet. Zu zahlreichen Sonderveranstaltungen oder Themenwochen werden eigene Actionbounds für Smartphones realisiert, die stets auch spielerische Elemente wie ein Quiz o.ä. beinhalten. Ein Escape Game, das durch die historischen Museumsgebäude führt steht kurz vor der Fertigstellung. Eine eigene App, die ab September dieses Jahres zunächst zwei Gebäude der ganz neuen Baugruppe zur Nachkriegszeit (Tankstelle von 1954 und Fertighaus von 1966) auf digitale Weise erschließen wird, wird ebenfalls verschiedene spielerische Elemente beinhalten.
Mein Beitrag möchte am Beispiel des Freilichtmuseums am Kiekeberg die große Bandbreite des Einsatzes von spielerischen Formaten in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit vorstellen, die besonderen Potentiale und Möglichkeiten, die sich dem Typus Freilichtmuseum in diesem Kontext bieten skizzieren und aufzeigen welche innovativen – v.a. digitalen – Formate derzeit und zukünftig konzipiert und realisiert werden.
Anne Wieland | LWL-Museum Ziegelei Lage
“Chocolate-covered Bricks?” Gamification als Ausstellungsdidaktik in neuer Dauerausstellung des LWL-Museums Ziegelei Lage
Das LWL-Museum Ziegelei Lage setzt mit der nächsten Dauerausstellung voll auf Gamification und Gaming – das wird unser neuer didaktischer Ausstellungsansatz. Wir setzen auf die Grundannahme, dass in jedem unserer Gäste eine Spielerin bzw. ein Spieler steckt. Nicht unerheblich ist auch die Annahme, dass wir damit junge spielaffine Menschen als neues Publikum gewinnen und langfristig binden können. Gamification ist für uns damit mehr als der Schokoüberzug, mit dem wir unserem Gast die Inhalte der Ausstellung versüßen bzw. vermeintlich langweilige Inhalte hinter einer Fassade verstecken. Wir glauben, dass es ohne intrinsische Motivation unseres Publikums kaum gelingen wird, über eine Dauerausstellung unsere Kernaussagen zu vermitteln. Der spielerische Ansatz ist unser methodisches Grundgerüst der Ausstellungvermittlung. Die Herausforderungen / Chancen / Risiken sind groß, z.B.:
Treffen wir damit den Geschmack unseres Stamm- und Fachpublikums?
Muss es einen nicht-spielerischen Zugang zu der Ausstellung geben?
Was funktioniert analog und für was braucht es das Digitale?
Welches Skills braucht es im Museumsteam und ab wann brauchen wir andere Expertisen?
Welche technische sowie inhalts-methodische Halbwertszeit hat eine spieleorientierte Dauerausstellung? Sind wir schnell wieder out?
Wir sehen in einem gamifizierten Vermittlungsansatz eine innovative und zukunftsfähige Möglichkeit, Museen für neue Zielgruppen attraktiver zu machen sowie die Bereitschaft zum Dialog und zur Diskussion untereinander und mit dem Museum zu erhöhen. In dem Vortrag möchten wir unsere bisherigen Überlegungen, Diskussionen sowie offenen Fragen teilen.
Ganz am Anfang stand für uns die Frage: Ist dies der richtige Ansatz für eine Dauerausstellung, die nach Eröffnung einige Jahre lang keine grundlegende Neukonzeption erfahren wird? Was bringt das dem Museum und welches Publikum erreichen wir damit bzw. welche Gäste schrecken wir damit unter Umständen auch ab? Es folgten die Überlegungen, wie wir Spielmechanismen schon in der Konzeptionsphase der neuen Dauerausstellung als integrierten didaktischen Ansatz mitdenken können.
Schnell war für uns als Museumsteam klar, dass wir weder Minigames, noch Escape-Rooms oder ein rein digitales Serious Game entwickeln möchten, sondern spielerische Elemente in die gesamte Ausstellung integrieren wollen. Im Konzept hielten wir den Rahmen dafür fest: Es soll sechs Raum- und Zeitreisen geben. Jede Reise führt in eine von sechs Epochen und beinhaltet unterschiedliche Missionen, die sich um ein ausgewähltes Bauwerk sowie seinen Erbauern, Bewohnern bzw. Benutzern dreht. Das Spiel soll sowohl für Einzel- als auch Gruppenbesucher spielbar sein. Digitale Anwendungen sollen an die analoge Ausstellung gekoppelt werden. Die Missionen selbst sind in sich geschlossen, es gibt aber ein übergeordnetes Punkte- und Feedbacksystem. Alle Spielenden gestalten durch das Spielen die Ausstellung mit.
Das ist für eine Dauerausstellung neu und innovativ. Dem hohen Stellenwert von Gamification ist es geschuldet, dass wir für die Planung der Ausstellung neben einem Gestaltungsbüro auch ein Spielentwicklungsteam an unserer Seite haben, mit dem wir unsere Ansätze weiterentwickeln und schließlich umsetzen werden. Wir hoffen, zum Tagungszeitpunkt erste Umsetzungsideen präsentieren und diskutieren zu können.
Hannes Birnkammerer, Roman Weindl | Universität Passau
Munus Quintanorum – Einsatz eines Tabletops zur Generierung von Gesprächsanlässen im Museum Quintana – Archäologie in Künzing. Ergebnisse aus der Aktionsforschung im Museum.
Der deutsche Begriff Tabletop – im englischen Sprachraum meist miniature wargaming – beschreibt ein multidimensionales Hobby rund um das Simulieren von historischen und fiktiven Konflikten mit (Miniatur-)Figuren oder Spielsteinen. Basierend auf Simulationen für den militärischen Kontext, fanden Kriegsspiele schon früh Niederschlag im zivilen Umfeld (vgl. Detering, 2008). Heutige Tabletops übernehmen darüber hinaus auch viele Elemente aus den ebenfalls aus den Kriegsspielen hervorgegangenen Rollenspielen, unter anderem einen verstärkt narrativen Fokus (Detering, 2008; Meriläinen, Sternros & Heljakka, 2020).
Dieser narrative Fokus stellt ein wichtiges Element des Tabletop-Hobbies dar, Spieler:innen fungieren hier im Gegensatz zu vielen anderen Spielen nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Produzenten. Das Hobby zeichnet sich als umfassende Erfahrung durch mehrere gleichberechtigte und individuell unterschiedlich priorisierte Aspekte aus, die oft in Verbindung stehen: Das jeweilige Spiel an sich, der Modellbau von Figuren und Terrain, Sammeln, Storytelling, das Ausstellen der eigenen Modelle sowie die hobby-bezogene Community und Vernetzung (Meriläinen, Sternros & Heljakka, 2020). Kennzeichnend ist also eine ganzheitliche Form der Spielerfahrung, die die Basis für das Erleben von imaginierten (historischen oder fiktiven) Ereignissen bildet.
Rolf Schörken hat diese Aktivitäten des Sich-Vorstellens und Sich-Einbeziehens und Übertragens in Bezug auf Geschichte auch unter der Fähigkeit der historischen Imagination subsumiert. Diese imaginativen Fähigkeiten, durch die sich Akteure in eine andere Zeit hineinversetzen können und so tun, „als ob“, bilden laut Schörken die Grundlage für das historische Lernen, da sie vergangene Lebenswelten vorstellbar machen und sie in Beziehung zur Gegenwart setzen (Schörken, 1994). Für den Einsatz von Tabletops im Museum bietet sich aufgrund der zeitlichen Einschränkung und der notwendigen Fokussierung vor allem die Aspekte des Spiels, des Storytellings und der Ausstellung an. Museale Vermittlungsprozesse weisen beim zweitgenannten Aspekt bereits in Form von Dioramen Verbindungen zum Tabletop-Hobby auf, die darauf abzielen, durch die visuelle Erfahrung und die Faszination die selbstständige Auseinandersetzung und das Lernen anzuregen (Noschka-Roos, Lewalter, 2016).
In einer ähnlichen Zielstellung werden auch Spiele, bzw. spielbasiertes Lernen, eingesetzt, um die Motivation und Auseinandersetzung der Besucher anzuregen (Ćosović & Brkić, 2019). Basierend auf diesen Vorüberlegungen eines bespielbaren Dioramas wurde mit Munus Quintanorum ein Tabletop für das Museum Quintana – Archäologie in Künzing entwickelt, erstellt und eingesetzt. Inhaltlich fokussiert das Spiel die bedeutendste archäologische Entdeckung aus der Region, die im Museum präsentiert wird: das Amphitheater von Künzing. Dabei handelt es sich um eine hölzerne Arena aus dem 2. Jh. n. Chr., die sich am Ostrand der das römische Kastell umgebenden Siedlung befand. Die untertägig erhaltenen Überreste des Amphitheaters wurden zusammen mit einem kleinen Teil der ehemaligen römischen Zivilsiedlung von Künzing am 30. Juli 2021 in das UNESCO-Welterbe „Grenzen des Römischen Reiches – Donaulimes (westlicher Abschnitt)“ aufgenommen. Für das Spiel wurde die Arena in abstrahierter Form im Maßstab 1:56 nachgebaut und dient als Spielfläche für ein Tabletop, bei dem die Spielenden Gladiatoren in der Künzinger Arena steuern. Die Regeln des Spiels sind dabei bewusst kurz und einfach gehalten.
Durch die Spielerfahrung sollen nicht nur auf abstrakter Ebene die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener historisch überlieferte Typen römischer Gladiatoren modelliert, sondern durch das dadurch entstehende Storytelling auch Eigenschaften der Arena von Künzing thematisiert werden. Ziel ist dabei nicht die Abbildung „historischer Wirklichkeit“, sondern das Anknüpfen an verbreitete Stereotypen über die Gladiatur und das römische Reich. Das Spielerlebnis, das durch fachkundiges Personal im Museum moderiert wird, soll Gesprächsanlässe schaffen, die als Ausgangspunkt für die Reflexion und Deutung des Erlebten dienen sollen. Vertieft werden können die im Spiel gemachten Erfahrungen im Anschluss in der Ausstellung des Museums.
Der Vortrag stellt die Konzeption des Spiels ebenso vor wie erste Ergebnisse aus der Aktionsforschung im Museum. Dabei kann das Spiel auch als Ausstellungsexponat für die Tagung zur Verfügung gestellt und bespielt werden.
Doreen Mölders | LWL-Museum für Archäologie und Kultur Herne
Blackbox Archäologie
Vor vier Jahren hat sich das Projektteam „Blackbox Archäologie“ auf den Weg gemacht, um mit digitalen Mitteln spielerisch die verborgenen Seiten der Archäologie für ein interessiertes Publikum zu öffnen. Das Projektteam umfasst die drei Museen LWL-Museum für Archäologie und Kultur, LWL-Römermuseum Haltern und Deutsches Bergbau-Museum Bochum sowie die Digitalagentur NEEEU als digitaler Partner.
Gemeinsam mit den avisierten Nutzer:innen ging das Projektteam in die ko-kreative Ideenfindung für vier digitale Anwendungen. Entstanden sind ein mobiles Serios Game (Jo’s Memory), zwei Spiele-Apps (Magic Roads to Aliso und farb.cORE) und ein interaktives Performance Game mit AR- und Mini-Games (Lost in TimeTime). Drei der vier Spiele sind über die Hauptfigur „Jo“, die das Adventure vorantreibt, miteinander verzahnt. In diesem Kurzbeitrag werden die entstandenen Spiele sowie die Learnings aus dem Prozess vorgestellt. Siehe auch: https://www.blackbox.game
Das Projekt wurde gefördert im Programm Kultur Digital der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.